Archive for September 2009

beacon (in the middle of the night)

September 30, 2009

Der Termin meiner Entlassung steht mittlerweile fest- ich werde nicht mal mehr zwei Wochen in Schlierbach bleiben. Direkt danach geht es für weitere vier Wochen weiter in die Anschluss-reha. Je näher die Entlassung rückt, desto mehr gibt es noch zu tun, zu organisieren und zu beantragen. Ich bin mittlerweile beinahe selbständig, aber es ist viel stressiger als ich es mir vorgestellt hab. Auto fahren kann ich auch wieder (mit Handbedienung- gestern hab ich die Führerscheinprüfung gemacht), es dauert aber immer noch 10min bis ich im Auto sitze und den Rollstuhl eingeladen hab.

Psychisch falle ich in ein Loch nach dem anderen, und jedes neue Loch ist tiefer und dunkler als das vorherige- Chrissie opfert ihre ganze Kraft um mich immer wieder aufzubauen. Warum ich falle weiss ich nicht genau. Vielleicht weil ich die sichere Klinikumgebung verlassen muss? Weil ich bei meinen Ausflügen gemerkt hab, wie mühsam und schwierig alles ist? Oder weil ich jetzt- nach drei Monaten- beginne mit meinem Schicksal zu hadern und ständig davon träume noch (oder wieder) laufen zu können.

Nachtrag: den Text oben hab ich heute morgen geschrieben, mittlerweile ist wieder viel passiert. Heute Mittag war ein Mitarbeiter von Sopur hier, und hat mir ein „shark S“ mitgebracht. Ich konnte es kaum erwarten mich reinzusetzen, und bin sofort losgefahren…die Geschwindigkeit, der Fahrtwind und das Rasseln der Kette- alles wie früher, und völlig egal ob man es mit den Beinen oder den Armen antreibt. Ich wär am liebsten den restlichen Tag weitergefahren und hätte das Teil dann sofort hierbehalten. Zum ersten Mal seit ein paar Tagen hab ich wieder gelacht.

Nebenbei hat mich heute ein Kamerateam eines deutschen, öffentlich-rechtlichen Senders begleitet- je nachdem wie das geworden ist lasse ich euch wissen wann und wo es gesendet wird.

in harms way

September 24, 2009

Inzwischen komme ich ganz gut in Autos- das eröffnet neue Möglichkeiten!! Mein eigenes Auto (an dem ich viel übe) steht jetzt hier vor der Klinik. Ich kann einsteigen, ich kann den Motor starten…bewegen kann ich’s nicht- nichtmal Gas geben. Gestern hab ich`s verkauft, und morgen wird es abgeholt…wieder ein Stück altes Leben weg.

Meine Zeit hier geht so langsam auch dem Ende zu. Ich hoffe dass ich noch bis Mitte Oktober hier sein kann, aber wohl kaum noch länger als 3 Wochen. Und da ist sie wieder: die Mischung aus Neugier und Angst. Es gibt hier noch manche Dinge bei denen ich mich frage wie das ohne Hilfe gehen soll.

Die Klinik ist wie eine Schutzglocke, hier gibt es viele Rollstuhlfahrer, alles ist barrierefrei und leicht zu erreichen. Draussen ist das anders. Alle schauen einen erstmal an, man hängt an jedem Randstein fest, ist auf Hilfe angewiesen. Und auf einmal nur noch 1,30 groß zu sein ist auch scheisse- nicht nur fürs Selbstbewusstsein.

stop chasing shadows, just enjoy the ride

September 20, 2009

Heute war ich auf Safari: Kamedare, tasmanische Streifenbären, großfüssige Berten, Sumpforken…und Clara.

Es war der Hammer. Alles ging, und es hat riesigen Spass gemacht. Als Fußgänger hätte ich nicht mehr Spass gehabt.

Und auf einmal hab ich keine Angst mehr, jetzt weiss ich dass es geht. Alles dauert etwas länger, vieles geht einfach anders, ist schwieriger, anstrengender und erfordert viel Übung- aber es geht!

Die ständigen Erinnerungen wie es früher war verblassen langsam, ich will jetzt wissen wie es sein wird!

die aussicht

September 18, 2009

Wenn ich einige Tage nicht schreibe, dann liegt das entweder daran dass es mir zu gut geht um meine Zeit mit schreiben zu verbringen, oder dass es mir so schlecht geht dass ich nicht aus dem Bett komme.

Diese Woche hatte ich mal wieder beides. Nach meiner Überraschungsparty am Montag ging es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Warum? Weil mir bewusst geworden ist, wie sehr ihr euch kümmert, weil ich zum ersten Mal seit langem wieder wirklich Spass hatte, und weil ihr mir ein Geschenk gemacht habt das mich mehr gefreut hat als alles andere. Ich kann mich dafür gar nicht genug bedanken!!

Danach ging es dann kontinuierlich bergab. Zuerst die Mitteilung dass ich noch weitere zwei Wochen in Einzelhaft bleiben muss, dass ich nochmal 14 Tage Antibiotika bekomme, das schmeckt wie eine Mischung aus Altöl und billigem Parfüm. Dazu kam dann gestern nochmal ein Fieber-Schub der mir (und auch den Ärzten) völlig unerklärlich war- vielleicht ist das die Art meines Körper auf die psychische Belastung  zu reagieren.

Heute geht es mir schon wieder besser. Ich hab meinen Rollstuhl bestellt. Die Hoffnung wieder auf meinen Beinen stehen zu können gebe ich dennoch nicht auf- nach zwei Jahren wird abgerechnet!

Morgen sind es 10 Wochen die ich ohne Pause in Krankenhäusern verbracht habe. So langsam ist es mir egal ob ich selbständig genug bin oder nicht- ich will hier raus, ich werd  hier so langsam wahnsinnig!! Allein die Aussicht dass ich rgendwann wieder „nach Hause“ (wo auch immer das dann ist) kann, hält mich aufrecht.

PS: eigentlich wollte ich die Gelegenheit hier nutzen und mir einen Bart wachsen lassen. Da das völlig schief ging hab ich ihn gerade abrasiert- bis auf den Oberlippenbart. Jetzt seh ich aus wie eine Mischung aus Thomas Magnum und d´Artagnan…Jeder der mich so sieht hat dick „ist das dein Ernst?“ auf der Stirn stehen. Nein, ist es nicht, mal schaun wie lange ich es ohne rasieren aushalte.

Über was man sich nach 10 Wochen Krankenhaus freuen kann…

to the core

September 14, 2009

Ein wunderschoener Tag.
Mit Freunden wie euch muss ich keine Angst haben- we can conquer anything together…

Danke!

in years to come

September 13, 2009

Heute war ein schöner Tag. Ich war „in freier Wildbahn“ unterwegs, nachmittags gab es Kuchen (viel Kuchen!) und heute Abend kommen die Simpsons im Fernsehen- als ob pro7 gewusst hätte welcher Tag heute ist. Die Entscheidung zwischen dem Kanzlerduell und den Simpsons ist für mich keine.

Heute morgen nach dem Aufwachen bin ich in meinem Kopf nochmal die letzten 29 Jahre durchgegangen- Jahr für Jahr. Dabei hab ich festgestellt dass ich in meinem Leben schon viel erlebt hab und viele Erfahrungen machen konnte- positive, negative, schöne und wichtige.

Die letzten Wochen und Monate sind mit Sicherheit auch eine Erfahrung. Wahrscheinlich hätte ich gerne darauf verzichtet, vielleicht denke ich in 29 Jahren aber auch dass es die eine Erfahrung war. Dann weiss ich auch ob ich heute meinen 29. oder meinen 1. Geburtstag gefeiert hab.

feet sometimes on solid ground, sometimes at the edge

September 9, 2009

Nachdem das nach meinem letzten Eintrag ja schon absehbar war, ging es mir gestern wieder scheisse…Panikattacken, Übelkeit, Schmerzen und unwillkürliche, spastische Muskelzuckungen und -Krämpfe in Beinen, Rücken und Bauch die sich ungefähr so anfühlen als ob man bei vollem Bewusstsein defibrilliert wird. Ich hab bewegungslos die Minuten gezählt bis der Tag endlich vorbei war.

Heute ist alles schon wieder besser.

Trotzdem hat mich das von meiner beinahe euphorischen Stimmung in den Tagen davor wieder auf den Boden der Tatsachen gerissen. Von 100 auf 0, von Euphorie zum totalen Wrack innerhalb weniger Stunden- diese ständigen Schwankungen machen mich auf Dauer fertig, werden mich aber noch etwas begleiten bis sich alles wieder einpendelt.

when enough is enough…

September 7, 2009

Ich kann nicht schlafen- vor angst. Ich hab schon wieder den naechsten Infekt, mir ist seit Wochen permanent uebel, ich hab fiese Rieckenschmerzen und kann mich wieder kaum bewegen.
Ich hab keinen Bock mehr. Auf staendige Infekte und Schmerzen,, auf das Leben im Krankenhaus. Ich will hier raus, aber vor ‚draussen‘ hab ich angst.

…that’s when you know, that you’re halfway there

old crows/ young cardinals

September 4, 2009

Trotz (oder wegen?) Einzelhaft geht es mir gut. Ich bekomme nach wie vor meine Therapien, meine Trainingsrunden um die Klinik werden größer. Berge und Steigungen die anfangs nicht zu schaffen waren komme ich mittlerweile hoch- wenn auch mit zusammengebissenen Zähnen. Ich lerne auf den Hinterrädern zu fahren und Treppen und Randsteine zu überwinden. Vieles von dem ich geglaubt habe dass es ummöglich ist wird auf einmal wieder greifbar.

Wenn man unerwartet in eine völlig neue, fremde Situation kommt, dann bekommt man aus dem Umfeld und von „alten Hasen“ auf einmal 1000 gut gemeinte Ratschläge. Ratschläge die man vielleicht nicht hören will, weil sie einem eher Angst machen als dass sie helfen. Wenn ich etwas wissen will, dann suche ich mir jemanden der mir geeignet erscheint meine Fragen zu beantworten. Die Antworten die ich in den letzten Tagen bekommen habe, haben mir Mut gemacht.

Als ich hier angekommen bin, war ich bei Null. Die alltäglichsten Dinge muss ich neu lernen. Nebenbei ist es aber auch die einmalige Gelegenheit nochmal zu starten. Fehler zu korrigieren,  Altlasten loszuwerden, sich neu zu orientieren und vielleicht sogar das Leben in eine neue Richtung zu führen.

grounded

September 2, 2009

Seit gestern hab ich ein Einzelzimmer. Einzelhaft. Der Erreger der bei mir nachgewiesen wurde ist ansteckend, deshalb wurde ich isoliert. Wer in mein Zimmer kommt muss einen OP-Kittel und Handschuhe tragen, ich darf zwar aus meinem Zimmer raus, aber nicht durch die Klinik/ Cafeteria etc. fahren. Solange es nicht regnet ist das halbwegs ok, immerhin kann ich meine „Trainings“-Runden rund um die Klinik drehen. Es stimmt eben doch: im Krankenhaus wird man krank. Um ehrlich zu sein ist so ein Einzelzimmer- zumindest für ein paar Tage- auch mal ganz entspannend.

Mittlerweile teste ich auch jeden Rollstuhl den ich bekomme. Das ist auch so eine Wissenschaft für sich…immerhin gibt es bei jedem Hersteller „Sonderausstattungen“. Wenn man bereit ist etwas zu investieren kann man sich das Teil mit Carbon- und Titanteilen oder Spinergy-SPOX-Laufradsätzen (dürfte den Rennradfahrern hier ein Begriff sein) bestellen. Auf Flammenlackierungen verzichte ich vorerst.

Draussen wird es langsam Herbst, und ich werde etwas wehmütig…für mich war das ein verlorener Sommer, ab morgen hätte ich Urlaub gehabt und wollte eigentlich mit Chrissie in die Toskana fahren. Stattdessen hänge ich jetzt hier fest. Das wird aber alles nachgeholt- vielleicht schon nächstes, spätestens aber in zwei Jahren. Es wäre ehrlichgesagt schon das größte für mich mal wieder nach Heidelberg zu kommen, aber sogar das ist momentan unerreichbar. Meine Fahrstunde (ja, ich muss auch nochmal Fahrstunden nehmen…) werd ich wohl auch absagen müssen, ausser der Fahrlehrer würde sich bereit erklären mit Mundschutz zu fahren. Fällt in Zeiten der Schweinegrippe wahrscheinlich nicht weiter auf.