Archive for August 2009

foxtrott-uniform-charlie-kilo

August 31, 2009

Der letzte Eintrag liegt schon ein paar Tage zurück. Ab und zu falle ich in Löcher, die so tief sind dass ich etwas brauche um wieder rauszukommen. Ich habe meinen Körper gerade alles andere als im Griff, und das macht mich fertig. Nachdem das Wochenende (oder zumindest der Sonntag) mich wieder aufgebaut hat, kommt heute die nächste Nachricht: ich hab irgendeinen Keim, darf nicht mehr wirklich aus meinem Zimmer raus und bekomme wieder Antibiotika. Gerade jetzt, wenn es mal irgendwie vorwärts geht. Außerdem hab ich heute meine Wohnung gekündigt. Wer mich und meine Wohnung kennt, weiß dass das wirklich weh getan hat. Als nächstes muss ich mein Auto verkaufen.

Gestern morgen hab ich auf der Terrasse gefrühstückt. In der Sonne, mit einer Zeitschrift- genau wie früher auch. Für genau einen Augenblick hab ich garnicht mehr dran gedacht auf was ich sitze.

slaughter of the soul

August 27, 2009

Ich hab den Text gerade zweimal geloescht. Einmal, weil ich euch das heute nicht zumuten kann. Einmal weil ich hier nicht alles schreibe.

ignorance is bliss

August 25, 2009

Gerade hab ich mir meinen Helm angeschaut- zum ersten Mal seit dem Unfall.

Ich hasse es das zu sagen, aber es hätte auch anders ausgehen können. Ich mein es ist ausreichend beschissen wie es ist, und wenn ich höre was noch alles „hätte sein können“ dann nervt mich das: danke für den Versuch mich zu trösten- ich bin bedient.

Ich glaube (hoffe) dass ich das alles hinbekomme ohne meinen Charakter zu verbiegen. Ich will kein Rollstuhl-Zyniker werden, ich will nicht bemitleidet werden, ich will keine besondere Aufmerksamkeit wegen meinem Rollstuhl, und ich will es irgendwann akzeptieren können ohne ständig der Vergangenheit hinterhertrauern zu müssen.  

Ansonsten habe ich gerade den Eindruck dass mein physischer und psychischer Zustand langsam so stabil ist, dass ich mich voll auf meine reha konzentrieren kann, und ich mache weiter Fortschritte- wenn auch kleine. Oder wann habt ihr euch das letzte Mal gefreut dass ihr euch selbst Schuhe anziehen konntet?

so long…and thanks for the crutches

August 23, 2009

Jetzt hab ich schon länger nichts mehr geschrieben- das liegt daran dass ich inzwischen ganz gut mit Therapien ausgelastet bin- so wirklich viel Zeit bleibt da nicht mehr. Die letzte Woche war eine „stabile“ Woche, das heisst dass ich mich zumindest voll auf meine Therapien und Trainings konzentrieren konnte. 

Heute sind es genau sechs Wochen. Sechs Wochen in denen sich soviel verändert hat, und die wohl seltsamsten und schwierigsten Wochen meines Lebens. Heute morgen nach dem aufwachen hab ich mir erst wieder überlegt wie komisch es ist in diesem Krankenhaus zu leben. Vor sechs Wochen bin ich morgens einfach aus meiner Wohnung gegangen, und hatte keine Ahnung dass ich dort nie wieder übernachten werde. Stattdessen liege ich jetzt in einem 3er-Zimmer ohne jede Privatsphäre. 

So wie es aussieht werde ich hier auch noch sechs Wochen bleiben, bevor ich dann nochmal für 4-6 Wochen in eine Anschluss-Reha gehen werde. Danach ist die Reha dann offiziell beendet.

Nach gerade mal 4 Monaten kann ich mir noch nicht wirklich vorstellen selbständig zu leben, evtl. auch wieder anzufangen zu arbeiten. Wie soll man sich denn in dieser Zeit sein Leben organisieren? Auto, Wohnung, Arbeitsplatz…alles verändert sich.  Ziel der Reha ist es eben nicht, dich wieder selbständig zu machen, dich korperlich und seelisch wieder aufzubauen und auf das vorzubereiten was dich erwartet, sondern deine OP-Wunden zu versorgen, dich dann schnellstmöglich wieder zu einem Steuerzahler zu machen und die Kosten für die Krankenkassen so gering wie möglich zu halten.

Hier ist dein Rollstuhl- und jetzt geh und leb dein Leben!

build a bridge

August 19, 2009

Physisch werde ich so langsam immer fitter. Ich erkunde inzwischen das Klinikgelände, und komme auch schon weiter als 300m.

Aber es fällt mir so verdammt schwer mich mit meinem „neuen“ Leben anzufreunden. 28 Jahre als Fußgänger, das bedeutet mindestens 25 Jahre Erinnerungen, Erlebnisse und Bilder- sowohl schöne als auch schlechte- auf meinen Beinen. Gerade die letzten Monate in Heidelberg habe ich wirklich genossen.

Und jetzt ist auf einmal alles anders, und obwohl ich sicher bin dass ich auch in den kommenden Jahren viel erleben werde und viele neue Bilder entstehen werden: ich komme gerade nicht drüber weg, und ich kann und will mich nicht mit meiner Situation abfinden. Jedesmal wenn ich Besuch bekomme, beneide ich euch so sehr dass ihr die Klinik auf euren Beinen verlassen könnt, und verstehe es einfach nicht dass ausgerechnet ich das nicht kann.

Ein Psychologe würde wahrscheinlich sagen dass ich sämtliche Phasen eines Schocks durchmache: verdrängen, leugnen, ablehnen…ich denke ich brauche einfach Zeit. Und zwar nicht Wochen oder Monate, sondern Jahre. 

 

This one is for N&N:

what I basically wannna let you know: We´ve had such a great time at the UFP, and it was more than cool having you as neighbours. Chatting in the hall, chasing Manxy out of my apt and having drinks with you on the patio and all over the Altstadt was just excellent.

It hurts having to leave this behind and find a new place to stay, but I am positive that we are going to stay friends and that we´ll still meet up for beers in the Untere Strasse or on my new patio!

ninetofive

August 18, 2009

Langweilig ist mir seit dieser Woche nicht mehr. Die Ergotherapie hat angefangen, und mir wird alles was ich vor ca. 25 Jahren schonmal gelernt hab, beigebracht: waschen, anziehen, hinsetzen. Und das ist alles verdammt schwer…legt euch mal aufs Bett und zieht euch eine Hose an ohne die Beine zu bewegen! Inzwischen hab ich mich auch daran gewöhnt meine Beine mit den Händen zu bewegen- gespenstisch ist es immer noch. Außerdem sind die enorm schwer…ich wünsche mir immer wieder ich hätte irgendeinen Sport gemacht der den Oberkörper trainiert und nicht immer nur die Beine.

Heute bin ich das erste Mal wieder in einem Auto gesessen. Nach ca. 20 Minuten. Nochmal 20min später war dann auch der Rollstuhl drin. 2,5 h anziehen und waschen, 45min ins Auto einsteigen, 45min wieder aussteigen, und dann abends das ganze wieder rückwärts…so kann man einen Arbeitstag auch rumkriegen.

Immerhin bemerke ich so langsam kleine Fortschritte.

paraplegic

August 16, 2009

Vor meinem Unfall habe ich mir fast nie Gedanken über Querschnittslähmungen gemacht. Irgendwann bin ich mal mit einem Rollstuhlfahrer im Aufzug gewesen, und war völlig unsicher wie ich mich verhalten soll, ob ich ihm Hilfe anbieten soll oder nicht. Ich dachte immer „die können halt nicht laufen“. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Direkt nach meinem Unfall, noch auf dem Waldboden hab ich mir dann zum ersten Mal Gedanken gemacht was das noch alles bedeuten kann, und es ist mir kalt den Rücken runtergelaufen. Inzwischen weiss ich, dass es sogar noch mehr bedeutet als das, was mir damals spontan eingefallen ist.

Es gibt in Deutschland ca. 130 000 querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrer, wobei jeder Fall einzigartig ist. Die Auswirkungen einer Querschnittslähmung sind eben nicht nur abhängig von der Verletzungshöhe. Das zentrale Nervensystem ist so komplex aufgebaut, dass das Spektrum der Auswirkungen einer Schädigung riesig ist. Es gibt alles: Menschen die laufen können, aber kein Gefühl unterhalb der Rückenmarksschädigung haben, Menschen die Gefühl in den Beinen haben, sie aber nicht bewegen können (so wie ich), Menschen die ihre Beine normal bewegen können, aber deren Arme und Hände gelähmt sind.

Allen gemeinsam ist, dass ihnen etwas genommen wurde das für sie selbstverständlich war, und dass sich ihr Leben damit auf einen Schlag komplett verändert hat. Und dass sie direkt nach dem Unfall vor der grössten Herausforderung ihres Lebens standen.

Und trotzdem beschäftigt man sich erst damit wenn es einen irgendwie betrifft.

like the angel

August 16, 2009

ich weiss nicht wie ich mich bei meiner Familie und euch allen bedanken kann. Was ihr gerade für mich tut ist unglaublich!! Die Besuche, die E-Mails, die Unterstützung von allen.

Insbesondere meine Familie und Chrissie sind ständig für mich da, organisieren, recherchieren und bauen mich wieder auf wenn es mir schlecht geht (z.B. mit Berichten über den Umbau von alten Porsches, Infos zu Handbikes oder mit Cheeseburgern). 

Mein einziger Dank kann sein, so schnell wie möglich wieder aus dieser Klinik zu kommen und unter euch zu sein…

groundhog day

August 13, 2009

4 1/2 Wochen sind es jetzt seit meinem Unfall. 4 1/2 Wochen im Krankenhaus- und täglich grüßt das Murmeltier…Trotzdem rennt die Zeit. Der Plan ist dass ich bis Ende Oktober hier in Schlierbach bin, und dann noch ca. einen Monat Anschlussreha in Bad Wildbad hab. Ich weiss nicht wie das gehen soll. Dann steh ich mitten im fiesesten Winter da und auf einmal soll ich wieder selbständig sein? Arbeiten gehen? Mir gehen da 1000 Fragen durch den Kopf: wie bewegt man einen Rollstuhl im Schnee? Was mach ich wenn meine Frontscheibe zugefroren ist? Kann man mit dem Rollstuhl über Kopfsteinpflaster fahren? Wo soll ich dann wohnen? Lauter alltägliche Dinge, von denen ich gerade noch nicht so genau weiss wie das alles gehen soll…und ob das überhaupt irgendwie geht. Und mit jedem Tag der vergeht wird es auch immer unwahrscheinlicher dass noch motorische Fähigkeiten zurückkommen…

Mit den Zukunftsplänen kommen also auch wieder alltägliche Sorgen zurück, an die ich die letzten Wochen einfach nicht gedacht hab.

Um mich etwas abzulenken durfte ich heute Gas geben. Motorradgas. Eine der Pflegerinnen hat eine CBR600 mit der ich etwas Lärm machen durfte. Fahren ging nicht- ich hab ja gar keinen Motorradführerschein!

event horizon

August 12, 2009

Der Tag hat mit intensivem Arzt-Kontakt angefangen. Sage und schreibe drei davon waren notwendig mir einen neuen Zugang zu legen, da der alte „para“ (nicht mehr durchgängig) war. Nachdem jeder dann 2x versucht hat eine Vene zu treffen, hat`s auch schon geklappt. Ich hab mittlerweile Arme wie ein Junky.

Dafür hab ich jetzt gerade einen neuen Rollstuhl bekommen. Sieht noch besser aus (metallic-grün) als der alte, fährt aber endlich mal geradeaus. Das coole ist, dass ein Sopur „Helium“ ( http://www.heliummobility.eu/en_gb/index.asp ) bereits für mich eingestellt wird- hoffentlich passt der.

Ich hab den Eindruck dass ich nach und nach wieder beginne mein Leben „nach Schlierbach“ in die Hand zu nehmen. Pläne konkretisieren sich, meine Familie unterstützt mich mit aller Kraft dabei eine Wohnung zu finden. Ich mache mir Gedanken über Sportarten, Hobbies und darüber wie man einen 74er 911S auf ein ordentliches Automatikgetriebe umrüsten kann. Ich glaube das ist ein gutes Zeichen…

Und ich setze mir kurzfristige Meilensteine…der nächste ist, eine Orangina vor der Maxbar oder in der Bent Bar zu trinken- ich muss hier so langsam mal raus!